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Geschäftsjahr 2020 – Projekt Hardstrasse 299/301, Zürich-West
Im Rücken das letzte innerstädtische Industrieareal, davor rattert ein Tram über die Hardstrasse und der Individualverkehr rauscht auf der darüberliegenden Hardbrücke, einer der wichtigsten Verkehrsachsen der Stadt Zürich. Rechts das schicke Bürogebäude am Schiffbauplatz, links eines aus der Mitte des letzten Jahrhunderts. Fussgänger, Velos, Parkplätze und mittendrin Bahngeleise, auf welchen Güterzüge täglich Getreide zur Mühle am Sihlquai transportieren. Ab und zu ein paar Bäume und Rabatten mit etwas Verlegenheitsgrün. Das neue Geschäftshaus an der Hardstrasse 299/301 liegt nicht eben an Zürichs grüner Lunge. Und es fällt auf.
An der Nord- und Südfassade des sechsgeschossigen Gebäudes wechseln sich über die gesamte Höhe Fensterbänder mit Pflanztrögen aus grün eingefärbtem Beton ab. Bereits jetzt, wo das Gebäude gerade erst bezogen wurde, wachsen rund 300 Büsche und Sträucher auf einer Fläche von 180 Quadratmetern.
Ende 2016 führte Allreal als Eigentümerin des Escher-Wyss-Areals einen Studienauftrag mit acht renommierten Architekturbüros für den Ersatzneubau eines alten Gebäudes an der Hardstrasse 299/301 durch. Bereits bei der Wettbewerbsausschreibung wurde von den teilnehmenden Büros eine Prüfung und Stellungnahme zum Thema Fassadenbegrünung verlangt.
Das siegreiche Architekturbüro Caruso St John Architects, Zürich, hat diese Aufforderung konsequent als integralen Bestandteil des Wettbewerbsentwurfs aufgenommen. Ferdinand Schmidt, der projektleitende Architekt, erklärt: «Die lineare geschossweise Fassadenbegrünung konnte schon früh im Entwurfsprozess als Bestandteil der Gebäudestruktur und charakterisierende Komponente des Hauses berücksichtigt werden.» Entwurf und Bepflanzung passen perfekt zusammen, weshalb andere Konzepte der Fassadenbegrünung wie vertikale oder bodengebundene Klettersysteme nicht näher in Betracht gezogen wurden. «Der Fokus lag neben dem ökologischen Aspekt auf einem identitätsstiftenden Element der Begrünung, welche das Haus und den Ort an der Hardbrücke in besonderer Weise prägt», erklärt Schmidt.
Das Landschaftsarchitekturbüro ghiggi paesaggi Landschaft & Städtebau GmbH hat die zu pflanzenden Büsche und Sträucher so ausgewählt, dass sich im Verlauf der Jahreszeiten ein ständig wechselndes Fassadenbild ergibt.
«Der Fokus lag neben dem ökologischen Aspekt auf einem identitätsstiftenden Element der Begrünung.»
Doch weshalb sollen Fassaden im städtischen Raum überhaupt aufwendig begrünt werden? Die Hitzeminderung im urbanen Raum ist zurzeit eines der meistdiskutierten Themen in Städtebau und Architektur. Menschen in den Städten leiden unter der überdurchschnittlichen Erwärmung an Hitzetagen. Deshalb suchen die Ämter und Dienstabteilungen nach Massnahmen gegen die Überhitzung. Die Stadt Zürich hat mit der «Fachplanung Hitzeminderung» Anfang 2020 ein über 200 Seiten starkes Arbeitsinstrument für städtische wie auch private Eigentümerschaften geschaffen, um Zürich klimaökologisch aufzuwerten. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die Überwärmung im gesamten Stadtgebiet zu vermeiden, stark betroffene Stadtgebiete gezielt zu entlasten und das bestehende Kaltluftsystem der Stadt Zürich zu erhalten.
Beim Thema Fassadenbegrünung, welches eine mögliche Massnahme zur Erreichung dieser Ziele ist, setzt die Stadt Zürich auf Eigeninitiative von Bauherrschaften und Planenden. Im Rahmen von privaten Bewilligungsverfahren wird jeweils auf Möglichkeiten und Vorteile von begrünten Fassaden hingewiesen.
Konkret ist da zum einen also der ökologische Aspekt. Jede Vergrösserung der Grünfläche im von versiegelten Oberflächen dominierten Stadtkreis 5 ist grundsätzlich erstrebenswert. Daraus ergeben sich grössere Rückhalteflächen für Regenwasser, eine verbesserte Luftreinigung und Staubbindung sowie eine Erhöhung der Biodiversität.
Andererseits verfügt das Gebäude selbst mit einer begrünten Fassade über einen natürlichen Sonnenschutz und erreicht eine erhöhte Reflexion des Sonnenlichts: Die Temperatur an einer begrünten Fassade kann im Gegensatz zu einer konventionellen Fassade um bis zu 6 Grad gesenkt werden. Gleichzeitig profitieren die Angestellten von einem attraktiven Arbeitsumfeld.
Trotz dieser Vorteile bringt die Fassade aber auch gewisse Nachteile mit sich. Die Konstruktion der Pflanztröge ist komplex und aufwendig. Dies einerseits wegen der notwendigen Installationen für Bewässerung und Entwässerung inklusive Überlaufschutz. Andererseits muss der gegen Absturz gesicherte Zugang für Gärtner über Fenster und Stege jederzeit gewährleistet sein. Dazu kommt die Pflege der Pflanzen, welche zwei- bis dreimal jährlich durchgeführt werden muss.
Die leichten Mehrkosten für den Unterhalt der Begrünung seien nie ein Hinderungsgrund für die Umsetzung dieses Projekts gewesen, erklärt Murat Özküp-Steiner, Leiter Projektentwicklung von Allreal. «Die Mehrkosten im Gebäudeunterhalt fallen bei den Mieteinnahmen eines Gebäudes in dieser Grösse nicht ins Gewicht. Durch die natürliche Beschattung der Südfassade wird im Sommer sogar weniger Energie für die Kühlung benötigt.» Doch ist das nicht bloss der sprichwörtliche Tropfen auf den heissen Stein? «Isoliert betrachtet, mögen die Massnahmen für das lokale Klima marginal sein, trotzdem ist es ein Puzzleteil im grossen Ganzen. Darüber hinaus haben wir im Rahmen des Bauprojekts weitere Massnahmen für die Natur im urbanen Raum geschaffen: Bei der Gestaltung der Umgebung wurden unter anderem Steinhaufen für Eidechsen und Nistplätze für Mauersegler und Turmfalken realisiert.»
Das Projekt in Kürze | |
Bauherrschaft | Allreal West AG, Zürich |
Projektentwicklung | Allreal Generalunternehmung AG, Zürich |
Totalunternehmer | Allreal Generalunternehmung AG, Zürich |
Architektur | Caruso St John Architects AG, Zürich |
Gebäudevolumen | 36’000 m3 |
Grundstücksfläche | 1’988 m2 |
Nutzfläche | 5’800 m2 |
Baubewilligung | Juni 2018 |
Baubeginn | Juni 2018 |
Fertigstellung | Dezember 2020 |
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