Reporting
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Interview lesen
Allreal hat ein bewegtes Jahr hinter sich. Das wirtschaftliche Umfeld hat sich markant verändert. Bereitet Ihnen die Inflation keine Sorgen?
Ralph-Thomas Honegger: Die gegenwärtigen Inflationsraten in der Schweiz bereiten mir keine allzu grossen Sorgen. Aufgrund unserer Erfahrungen können wir gut damit umgehen. Wir hatten in den letzten Jahren, getrieben von der offensiven Geldpolitik der Zentralbanken, ausserordentliche Verhältnisse mit negativen Zinsen und praktisch inexistenter Inflation. Historisch betrachtet ist das eine Ausnahmesituation, die jetzt wieder korrigiert wird. Das Zinsumfeld normalisiert sich. Allreal profitierte von dieser besonderen Konstellation und zeigt auch für das Jahr 2022 wieder ein ausgezeichnetes Ergebnis. Unser Geschäftsmodell ist aber nicht auf diese Ausnahmesituation ausgelegt. Es bewährte sich in den Jahren zuvor bereits unter normalen Zinsverhältnissen, und es wird seine Beständigkeit auch in den kommenden Jahren unter Beweis stellen. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Die Entwicklung der Bauteuerung gilt es aufmerksam zu beobachten, sowohl für die Eigen- als auch für die Drittprojekte. Gewisse Abflachungstendenzen sind beobachtbar. Aber es ist klar: Gegebenenfalls, sollte die Teuerung weiter ansteigen, müssen die Investitionsrechnungen der Eigenprojekte überprüft werden.
Im Jahr 2021 hat Allreal eine neue Nachhaltigkeitsstrategie kommuniziert. Sind Sie auf Kurs?
Ralph-Thomas Honegger: Wir sind auf Kurs. Erste Massnahmen sind bereits abgeschlossen, weitere sind definiert und in Umsetzung. Allreal hat für sich den CO2-Absenkpfad definiert, und bestätigt als wichtiges Etappenziel die Halbierung der fossilen Brennstoffe bis ins Jahr 2030 für das Portfolio der Renditeliegenschaften. Der Ausbau von Photovoltaikanlagen wurde im Berichtsjahr zielgerichtet an die Hand genommen und ist in Umsetzung. Ebenso schreitet der Ausbau der Ladestationen für die E-Mobilität plangemäss voran. Allein im letzten Jahr investierten wir hier über CHF 2 Millionen.
Allreal hat ein operatives Rekordergebnis erzielt. Sind Sie zufrieden?
Roger Herzog: Mit einem operativen Reingewinn von fast CHF 143 Millionen ist meinen Mitarbeitenden in der Tat ein sehr gutes Resultat gelungen. CHF 143 Millionen ist notabene das beste Resultat in unserer 23-jährigen Firmengeschichte. Das Geschäftsfeld Immobilien überzeugt mit einer Leerstandsquote von 1,6 Prozent. Damit sind wir Branchenprimus. Und mit dem Portfolioausbau in der Romandie haben wir die Mieterträge auf CHF 214 Millionen deutlich gesteigert, auch das ist ein neuer Rekord. Die Generalunternehmung überzeugt mit einem hohen Arbeitsvorrat von über CHF 600 Millionen und einem stolzen Gewinnbeitrag von CHF 12.3 Millionen und konnte im Drittgeschäft die Marge deutlich auf 11 Prozent erhöhen. Darum ja, ich bin sehr zufrieden mit dem Resultat. Und ich bin auch stolz auf das, was wir geleistet haben.
Sie haben es erwähnt, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich verändert. Wie äussert sich das konkret?
Roger Herzog: Die Zinswende, die dringend notwendig war, führt dazu, dass einzelne Marktteilnehmer ihre Renditevorstellungen neu kalibrieren. Das ist auch bei Allreal nicht anders. Wir stellen fest, dass am Transaktionsmarkt für Renditeliegenschaften die Anzahl potenzieller Käufer deutlich weniger wird. Es wird also mehr an der Seitenlinie gestanden und die weitere Entwicklung des Marktes beobachtet, als dass man sich aktiv am Marktgeschehen beteiligt. Für die Bewertung der Renditeliegenschaften ist das nicht per se beunruhigend. Denn es gibt eine hohe Nachfrage nach Wohn- und Geschäftsflächen. Und diese trifft auf ein eher knappes Angebot. Das stützt auch die Bewertungen in den Büchern. Aber es ist klar: Neubewertungsgewinne im grossen Stil, wie sie in der Vergangenheit anfielen, wird es so nicht mehr geben. Beziehungsweise werden nur dort möglich sein, wo echter Mehrwert geschaffen wird. Ich glaube, dass das eine gute Entwicklung ist. Und am Ende des Tages trennt sich dadurch auch die Spreu vom Weizen.
«Die Entwicklung der Bauteuerung gilt es aufmerksam zu beobachten, sowohl für die Eigen- als auch für die Drittprojekte.»
Die Mieterträge hat Allreal erhöht, unter anderem dank des Ausbaus in der Westschweiz. Sehen Sie weiteres Potenzial für Ertrags- und Gewinnsteigerungen im Geschäftsfeld Immobilien?
Roger Herzog: In der Tat profitierten wir im Jahr 2022 von besonderen Umständen. Aber wir machten auch einen guten Job. Das Potenzial für das zukünftige Wachstum ist langfristig unbestritten und im grossen Stil vorhanden. Wir haben viele Entwicklungsreserven, vor allem in der Romandie. Aber wir haben auch Pläne, wie wir im bestehenden Portfolio zusätzlich Wertoptimierung umsetzen können. Im Geschäftsjahr 2023 werden wir wegen der höheren Inflation und den Zinsen von steigenden Mieten profitieren. Und auch die Nachfrage ist hoch, was zusätzlich Unterstützung bietet. Beim Wohnen wird diese Entwicklung noch durch das Bevölkerungswachstum unterstützt. Kurzfristig werden wir aber im laufenden Jahr auch auf der anderen Seite etwas deutlich spüren: Die Finanzierungskosten werden im Jahr 2023 massiv ansteigen.
Und wie beurteilen Sie die Entwicklung im Geschäftsfeld Generalunternehmung?
Roger Herzog: Der Arbeitsvorrat von rund CHF 600 Millionen sagt schon sehr viel aus. Wir waren schon in den letzten Jahren selektiv in der Auftragsannahme, und trotzdem haben wir Arbeit für die nächsten zwei Jahre. Das jährliche Projektvolumen pendelt sich langfristig bei CHF 300 Millionen bis CHF 350 Millionen ein. Ganz wichtig ist, dass wir uns beim Bauen immer mehr vom Drittmarkt emanzipieren. Deshalb ist es gut, dass wir mit grösseren Eigenprojekten im laufenden Jahr starten können. Es freut mich sehr, dass wir das so auf den Weg gebracht haben. Im laufenden Jahr können wir sicher weniger Verkaufsgewinn in den Eigenprojekten verbuchen, was mit der Zyklizität zusammenhängt. Dies wird im Vergleich zum Jahr 2022 auch zu einem tieferen Resultat führen. Das ist aber nur eine Momentaufnahme. Wichtig ist, wie die langfristige Entwicklung aussieht, und die stimmt.
Was erwartet Allreal im neuen Geschäftsjahr?
Roger Herzog: Wir bewegen uns in einem kompetitiven Umfeld. Dem können wir uns auch nicht entziehen. Das operative Unternehmensergebnis wird wegen der höheren Finanzkosten und der tieferen Projektgewinne in der Generalunternehmung zurückgehen.
Eigenprojekte werden bei Allreal immer wichtiger. Die Sparte Entwicklung nimmt dabei eine strategische Schlüsselrolle ein. Wie sieht die Pipeline aus?
Stefan Dambacher: Wir haben uns in den letzten Jahren eine sehr attraktive Pipeline von deutlich über CHF 1.5 Milliarden erarbeitet. Die Westschweiz ist ab 2021 dazugekommen. Zudem haben wir aus dem Bestand Objektstrategien entwickelt. Das heisst, wir untersuchen Objekte im Bestand und identifizieren weitere Renditepotenziale. Alles zusammengenommen, haben wir uns in den letzten Jahren eine spannende, gute Rolle erarbeitet, mit der wir dem heutigen Akquisitionsmarkt relativ unabhängig gegenüberstehen.
«Ich bin sehr zufrieden mit dem Resultat. Und ich bin auch stolz auf das, was wir geleistet haben.»
Nicht alle Eigenprojekte verbleiben auch im Portfolio. Nach welchen Kriterien wird entschieden, ob ein Projekt in den Verkauf geht oder im eigenen Portfolio verbleibt?
Stefan Dambacher: Verkauf oder Verbleib wird individuell beurteilt, nach bestimmten Kriterien wie Lage, Kapitalbindung, Grösse oder Fit fürs Portfolio. Was man aber sagen kann, ist, dass wir unseren Wohnanteil weiter ausbauen werden. Da sind 30 Prozent des Gesamtportfolios durchaus möglich. Man kann aber auch sagen, dass der Grossteil weiterhin Geschäftsliegenschaften sein werden.
Allreal wird in den nächsten Jahren vor allem auch in der Westschweiz Projekte entwickeln. Die Regulierungsdichte ist in den Kantonen Genf und Waadt aber deutlich höher. Wie geht Allreal damit um?
Stefan Dambacher: Die Regulierungsdichte an den Standorten, wo wir tätig sind, ist um einiges höher als in Zürich. Mit dem nötigen Know-how ist das aber beherrschbar und bietet unserer Meinung nach sogar einen Standortvorteil, wenn man die Baugesetze gut kennt und die richtigen Kontakte hat. Durch unsere Expansion 2021 haben wir dieses Expertenwissen vor Ort und sind sehr zuversichtlich, in dieser Wachstumsregion, die vor allem im Bereich Wohnen sehr stark zulegen wird, gut positioniert zu sein.
«Wir gehen bereits in der Entwicklung auf die Nachhaltigkeitsziele ein. Es ist wichtig, bereits dann die Weichen zu stellen.»
Die Anforderungen an ein Gebäude verändern sich auch mit der Nachhaltigkeit. Wie geht Allreal in der Entwicklung darauf ein?
Stefan Dambacher: Wir gehen bereits in der Entwicklung auf die Nachhaltigkeitsziele ein. Es ist sogar wichtig, bereits dann die Weichen zu stellen. Wir glauben, dass einer unserer wichtigsten Erfolgsfaktoren ist, dass wir konsequent nur Wettbewerbsverfahren ausschreiben, um so die komplexen Ziele, die mit all den Nachhaltigkeitsanforderungen immer komplexer werden, bereits im Programm für Studienaufträge einfliessen lassen zu können, und so das beste Projekt und das beste Team auswählen können.